Mami hat die Hausaufgaben vergessen

Als ich heute Morgen auf den Schulparkplatz fahre, ist mal wieder die Hölle los: Ein Riesenstau von Fahrzeugen – alles übereifrige Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen. Diese „fürsorglichen“ Eltern, die es ja ach so gut mit dem Nachwuchs meinen, gehen mir allmählich tierisch auf den Geist!

Da ist zum Beispiel Paul, dessen Mutter alles für ihren Filius erledigt. Erst gestern platzt dieser zum x-ten Mal zu spät in den Unterricht (wofür er natürlich nichts kann, da Mami verschlafen hat). Eigentlich soll er heute sein Referat in Geschichte halten, hat dieses jedoch nicht dabei. „Mama hat mir heute den Ranzen gepackt und wohl vergessen, meine Materialien einzupacken.“

Er ist sich keiner Schuld bewusst, zuckt mit den Schultern und sieht mich fragend an. Wenn ich ihm nun einen Strich für vergessene Arbeitsmaterialien eintrage, habe ich spätestens heute Mittag die verärgerte Stimme seiner Mutter auf dem Anrufbeantworter, die mir sagen wird, den Strich für vergessene Hausaufgaben möge ich doch bitte ihr anstelle ihres Sohnes geben. Schließlich habe SIE ja die Materialien vergessen.

Ähnlich ist es bei Finn. Als dieser im Englischvokabeltest eine 5 schrieb, rief mich seine Mutter völlig entsetzt an, um mir mitzuteilen, sie habe sich den Vokabeltest zwar im Kalender eingetragen, jedoch völlig vergessen, Finn daran zu erinnern. Deshalb habe sie die schlechte Note verdient.

Um Paul keine Sonderbehandlung zukommen zu lassen, gebe ich ihm selbstverständlich einen Strich für die vergessenen Materialien. Die anderen Schüler der Klasse sind nämlich auch schon hellhörig geworden und haben das Gefühl, er werde bevorzugt. Zudem machen sich viele bereits lustig über seine Mutti, die ständig in den Unterricht kommt und ihm irgendetwas hinterher trägt. Das ist ja schlimmer als in der Grundschule.

Wider Erwarten bekomme ich keinen Anruf von der Mutter, habe dafür aber am nächsten Tag ein Gespräch beim Schulleiter. Die besagte Mutter hat eine schriftliche Beschwerde gegen mich eingereicht, in der sie mal wieder mit ihrem Anwalt droht. Ihr Sohn hat bis zu diesem Zeitpunkt 22 Mal die Materialien vergessen und ist deshalb mit Nachsitzen dran. Diese Erziehungsmaßnahme der Schule passt Gluckemutti jedoch gar nicht und sie legt Einspruch ein.

Am nächsten Tag finden die Präsentationen der Referate statt. Paul meldet sich. Er hat auch heute sein Plakat zu Hause vergessen. Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht vor der Klasse zu sagen „Du oder deine Mami?“, beherrsche mich aber, da der arme Junge ja auch nichts für seine Mutter kann.

Im selben Moment klopft es und seine Mutter stolziert herein. Aus ihrer Tasche holt sie sichtlich stolz das Plakat und etliche Bilder hervor, die sie ordentlich vorne an der Tafel aufhängt. Paul beobachtet das Ganze mit gesenktem Kopf. Ein paar Jungs stecken die Köpfe zusammen und grinsen hinter vorgehaltener Hand. Ich habe nun aufrichtiges Mitleid mit Paul.

„Frau Schiermann“, setze ich an. Doch sie beachtet mich nicht. Eifrig beendet sie ihre letzten Vorbereitungen. Will sie das Referat auch noch halten? Bitte nicht!!! Doch nun klatscht sie zufrieden in die Hände und deutet Paul an, nach vorne zu kommen. An der Schrift auf dem Plakat kann ich sofort erkennen, dass sie nicht Paul gehört. Auch den anderen Schülern ist klar, wer das Referat ausgearbeitet hat. Aber das wird Mami natürlich vehement von sich weisen.

Als sie den Raum verlässt, ist die Klasse empört. Alle schreien wild durcheinander. Vom „Muttersöhnchen“ bis hin zu Aufrufen, das Ganze mit 6 zu bewerten, ist alles zu hören. Das Chaos ist perfekt.

Mein Tipp an alle Eltern:

Ihr könnt gerne eure Kinder unterstützen, ermutigen, motivieren, aber lasst sie bitte ihre eigenen (Lern-)Erfahrungen machen.

15 Reaktionen auf “Mami hat die Hausaufgaben vergessen”

  1. F. Underwood

    „Mein Tipp an alle Eltern: Ihr könnt gerne eure Kinder unterstützen, ermutigen, motivieren, aber lasst sie bitte ihre eigenen (Lern-)Erfahrungen machen.“

    AMEN! Und lasst die Kinder doch endlich wieder alleine zur Schule gehen/(bus-)fahren/radeln. Wir konnten das damals auch.

    Antworten
    • XYZ

      Also Entschuldigung, aber bei den meisten Schulen dürfen die Kinder die ersten zwei Jahre überhaupt nicht mit dem Rad alleine zur Schule fahren und das ist eine Anweisung der Schule. Und als berufstätige Mutter fehlt ein bisschen die Zeit und morgens mit dem Rad das Kind zu begleiten und mittags das Spiel zurück. Es gibt Schöneres als sich in die Schlange der Mutter zu stellen, die viel zu große Autos fahren, mit denen sie nicht mal parken können!!!
      Und um auf das Thema zu kommen, „Das konnten wir früher auch“ ja das konnten wir, damals sind auch nicht halb so viele Menschen mit Autos durch die Gegend gefahren. Da hatte bei weitem nicht jede Familie zwei Autos! Also vielleicht auch mal über die andere Seite nachdenken!

      Antworten
      • Tom Bohmfalk

        Und wie ändern wir das? Das ist nämlich die wesentliche Frage, um kindliche Entwicklung vernünftig zu ermöglichen.

        Antworten
      • Frau Bachmayer

        Wenn es mir durch diesen Blog gelingt, nur ein paar wenige Eltern zum Umdenken zu bewegen, finde ich künftig auch wieder einen Parkplatz in Schulnähe.
        Wenn nicht, parke ich halt an der Autobahnabfahrt und fahre den Rest mit dem Fahrrad. Das hält schlank.

        Antworten
        • Sonja Roßkamp

          also ich finde diesen Block super, und ich weiß, dass vieles wirklich zutrifft, meine Schwester ist Grundschullehrerin und kann auch mit solchen tollen Stories aufwarten.
          Hut ab, für alle die heutzutage das Lehramt studieren, und damit sich qualifizieren, die Erziehung anderer Kinder zu übernehmen.

          Antworten
      • Sandra

        … der liebe Gott hat den meistens von uns zwei Füße geschenkt…

        Antworten
      • Peter Brülls

        Es gibt m. Wissens keine Rechtsgrundlage, mittels der Schulen die Art der Schulwegbewältigung vorschreiben dürfen. Kennen Sie eine?

        Antworten
  2. Doc. Hollyday

    Tja, so sieht es leider aus.
    Aus Angst, von solchen Eltern am Ende „die Eier hoch gebunden“ zu bekommen, werden manche Pädagogen fast gar nicht mehr aktiv, wenn es zum Beispiel um die Vermittlung gesellschaftlicher Werte geht.
    Es resultieren Regeln ohne Konsequenzen.
    Schade!!!

    Antworten
  3. Guter Zogen

    Liebe Eltern, die Ihr Euch in obigem Beitrag wiederfindet (wenngleich ich glaube, dass gerade Ihr ihn nicht lesen werdet): Seid froh, dass ich nicht Lehrer Eurer Kinder geworden bin! Nur zu gern hätte ich Euch die Ohren langgezogen und – verzeiht meine Wortwahl – Euch den Arsch versohlt! Ja, Euch, den Eltern – nicht Euren Kindern! Ihr sollt ein Vorbild für sie sein, stattdessen gebt Ihr nur ein armseliges Beispiel Eurer eigenen Unzulänglichkeit zum besten. Lustig ist das allerdings nicht mehr.
    Ich entstamme einer Generation, deren Eltern – mitnichten Wohlstandskinder – noch zu sagen pflegten: „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Auf Euch heute und Eure Kinder projiziert fällt mir zu diesem Satz nur ein einziges Wort ein: Hoffentlich. Allerdings werdet IHR das nicht schaffen – Ihr seid schlicht zu dämlich dazu.

    Antworten
  4. Blackvelvet

    Da kann man mal sehen, wie bescheuert einige Eltern sind. Die merken ja nicht mal mehr, was sie ihren Kindern antun. Selbständiges erarbeiten von Aufgaben lernen die Kinder nicht mehr. Lehrer werden angemault und Respekt kennen die Kinder nicht mehr vor den älteren. Sie sind mit so einer Behandlung nicht mal mehr für die spätere Berufswelt zu gebrauchen, weil Muttersöhnchen alles in den A…… geschoben bekommen hat. Wo soll so ein Verhalten von den Eltern noch hinführen. Schade für das Kind, da es immer mehr von seiner Umgebung in die Rolle eines Außenseiters gedrängt wird, woran die Eltern Schuld sind. Die Lehrer tun mir in der heutigen Zeit leid, denn so etwas gab es zu unserer Zeit nicht. Arme Kinder für so dumme Eltern!!!

    Antworten
  5. abc

    Auch an unsere Schule dürfen die Kinder bis zum Ende der 1. Klasse nicht mit dem Rad alleine fahren. Das erste Schuljahr wenn möglich so gar nur alles zu Fuß, was für uns Eltern hieß Laufgruppen zu bilden. Jeder musste mit ran, soweit es möglich war. Es gab einige Eltern die das nicht geschafft haben, weil sie Berufstätig sind, ihre Zeit sehr eng gestrickt ist um Pünktlich auf der Arbeit zu erscheinen. Auch gab es Eltern die haben zum Teil 1 oder 2 Kinder, die auch zum Teil noch im Kindergarten waren und mitgenommen werden mussten. Und das alles war nur möglich weil die Klassenkameraden in der nähe / Nebenstraßen/ gewohnt haben. Und man einen Treffpunkt/ Sammelplatz abgemacht hatte. So konnten immer 2 Elternteile mit dem Nachwuchs zur Schule laufen. Und es ist hiermit ja nicht nur mit : Wir laufen mal zur Schule getan. Man läuft im Entengang schön brav hinter einander. Erklärt das Verhalten zu den Schranken, Ampeln, Kreuzungen,welche Seite wenn es keinen Fußweg gibt usw. Das ganze wird dann bei Wind und Wetter für ein Jahr durch gezogen. Und dieses Spiel wird bis zur Mitte der 2 Klasse mit dem Rad weiter durch gezogen. Bis man an dem Punkt ankommt, so die Kinder sind sicher genug im Straßenverkehr um in kleineren Gruppen mit dem Rad zur Schule zufahren, ohne Bürgersteig, Gedrängel an den Ampeln, schmaler Radweg viele Radfahrer. Und wie gesagt das Funktioniert alles nur wenn die Eltern etwas mehr zusammen Arbeiten würden und sich gegenseitig Unterstützen, soweit es für einige Beruflich möglich ist etwas später zur Arbeit zukommen, weil man läuft ja den Weg noch wieder zurück. Und Mittags muss das ganze ja auch nochmal abgespielt werden. Eigene Lernerfahrungen…Ja bin ich auch für, muss auch sein damit Junior selber später im Leben klar kommt und Verantwortung übernimmt. Was einem selber als Elternteil sauer aufstößt sind die Eltern die sich ein Referat aus einer anderen Klasse besorgen um das sich Junior nur noch hinsetzen muss um abzuschreiben. Dann kommt eine bessere oder schlechte Note raus, schon ist Gebrüll, weil das Kind aus der Neben Klasse hatte eine noch bessere Note. Und das Fach Unterrichtet auch noch der selbe Lehrer, wie konnte sowas passieren?! Da sind doch die Eltern meist selber verwunderter als die Kinder. Angriffspunkt sind für mich auch Eltern die sich auch noch damit brüsten das Referat ihres Kindes gemacht zu haben, weil Junior soll ja weiter kommen im Leben. Bemerkenswert sind dann noch die selben Eltern die die Mappen Führung der Kinder erledigen, weil es soll ja eine 1 oder 2 werden und auch hier sind diese Eltern sehr Intelligent sie protzen weiter damit rum. Junior kann für das Verhalten seiner Eltern nichts, vielmehr sollte man diese Eltern anprangern und zwar von Seitens der Schule. Vielleicht müssten einige Eltern es direkt vordem Kopf gesagt bekommen das ihr Kind zur Schule geht und nicht sie. Und auch hier gibt es bestimmt Lehrer die es klar raus sagen oder Lehrer die lieber hinter der Hand reden weil sie keine Lust haben sich mit dem Elternteil anzulegen. Warum? Schule denke ich dort sind die Lehrer die das sagen haben, dazu gehört nun auch mal das die Eltern sich an Regeln zuhalten haben. Meinungsverschiedenheiten kann jeder haben mit einem Lehrer, aber sowas schlägt echt schon über die Grenzen hinaus. Dann bitte für alle Schüler das gleiche Recht und die Eltern erledigen die Hausaufgaben! Mit recht Nachsitzen nach 22 x Material vergessen., bitte gleich die Eltern dazu setzen und 100 x Schreiben lassen, ich darf die Hausaufgaben meines Kindes nicht erledigen damit es selbständig wird! Ein Endloses Thema, was bestimmt noch Jahre anhält.

    Antworten
  6. TMC

    Liebe Leute,

    zum Einen: hier geht es nicht um eine Grundschule, also ist die Diskussion über Fahrrad/Laufen/Auto bei Grundschulkindern an dieser Stelle vollkommen überflüssig.

    Zum Anderen: Wer noch irgendwelche Zweifel hatte, dass Michael Winterhoff mit seinen Büchern vollkommen richtig liegt, müsste die nach diesem Artikel eigentlich endgültig begraben. Genau das wird nämlich von MW analysiert, die Eltern, die für ihre Kinder in die Schule gehen, eigentlich psychisch gesehen, aber hier offensichtlich sogar fast physisch. Die Kinder dieser Eltern haben keine Chance auf eigene Persönlichkeitsentwicklung, sie kreisen wie ein Kleinkind um sich selbst und nerven ihre Umwelt.

    Und wie jeder sehen kann, der selbst Kinder hat: Es handelt sich um ein immer häufiger auftretendes Phänomen…

    Antworten
  7. Frau Kannt

    Hallo Frau Bachmeyer,
    ja, diese hovering parents/mothers gibt es leider und mit denen hat man dann die Diskussion über die Note, denn hier wurde ja nur vorgeblich das Kind kritisiert, in Wirklichkeit fühlt sich die Mutter zu schlecht bewertet. Ganz schön ist es. wenn die Eltern keine Ahnung hatten, worauf es bei der Aufgabe (Erwerb von Kompetenzen) überhaupt ankam und ein Referat nach ihren jahrzehntealten Schulerfahrungen erstellte. Da kann das KInd ganz schön reinfallen.
    Ach ja, ein schönes Bonmot: Unter den Hubschraubermüttern/-Eltern gibt es die Lastenhelikopter, Rettungshelikopter und Transporthelikopter, manchmal alle in einem.

    Antworten
  8. Frau Bachmayer

    Ja, diese Helikopter sind weitgehend wartungsfrei und äußerst langlebig ganz im Gegensatz zu den Hubschraubern aus von der Leyens Kampftruppe.

    Antworten
  9. Herr B.

    Ich verstehe gar nicht, warum das insbesondere auch in den Kommentaren als vollkommen neue Entwicklung dargestellt wird. Möglicherweise haben Häufung und Qualität zugenommen, aber nachdem ich vor fast dreißig Jahren meinem Nachhilfeschüler mitgeteilt hatte, dass es mir und ihm helfen würde, wenn er die Hausaufgaben selber machte, war postwendend keine weitere Nachhilfe notwendig. Der Junge hat dann seinerzeit die Realschule folgerichtig nicht geschafft und wurde somit quasi Muttis Eitelkeit geopfert.

    Antworten

Hinterlasse eine Antwort